Scheidungskind. Was bedeutet das für mein restliches Leben?
Ja, was bedeutet es eigentlich für ein Kind, wenn die Eltern sich scheiden lassen? Als „Scheidungskind“ kann ich sagen: im ersten Moment erstmal die Hölle!
Es bedeutet, Du wirst nie mehr mit Mama und Papa unter einem Dach leben.
Du musst Dich entscheiden, ob Du bei Mama oder Papa leben möchtest – oder die Eltern entscheiden für Dich. Für DEIN Wohl – was in diesem Kontext für Dich mehr als lächerlich klingt.
Kein gemeinsames Leben mehr, Dein Leben als Kind liegt in Scherben.
Deine Illusion, von Liebe, Glück und Zusammenhalt wird jäh zerschlagen.
Du schwankst zwischen Wut, Trauer und Hass, Angst und Liebe zu Deinen Eltern.
Du hasst sie dafür, dass sie Dir das antun. Und Du bist plötzlich überall in der Rolle des Opfers.
Das Opfer mit dem Namen: Scheidungskind!
Dieser Titel klebt den Rest Deines Lebens an Dir. „Du Arme.“
20 Jahre später denke ich intensiv darüber nach.
„Oh ja… Ich war ein Scheidungskind“ doch hat es mein Leben wirklich nachhaltig zerstört?
Es gab Momente im Leben, da hab ich meine Opferrolle „Scheidungskind“ genutzt, um für alles gleich die Antwort auf all die Fragen, die in mir auf kamen, zu haben. Um mich nicht weiter mit den Fragen auseinander setzen zu müssen.
Heute denke ich intensiv über die Dinge nach, beschäftige mich mit mir selbst und frage mich, ob die Scheidung meiner Eltern mich wirklich in irgendeiner Form negativ geprägt hat?
Ist es tatsächlich schlimm, wenn Erwachsene sich eingestehen, dass sie nicht mehr miteinander leben möchten oder können? Sie mit Klarheit einen Schlussstrich ziehen? Nein.
Es ist viel schlimmer, dem Kind ein Bild einer unglücklichen Ehe mit ins eigene Leben zu geben. Wenn es mit ansehen muss, dass Liebe Leid und nicht Glück bedeutet. Die Eltern sich mehr streiten als lieb haben. Die Energie in Auseinandersetzungen verloren geht, anstelle auf positive Weise investiert wird. Beide Elternteile traurig sind, weil sie unglücklich sind und nur eine Fassade leben, anstelle ein Leben. Man nicht ehrlich zueinander ist, sich nicht mehr vertraut und ganz zum Schluss sich dann vielleicht sogar noch betrügt.
Das Unglück für ein Kind entsteht nicht im Moment der Scheidung. Der unglückliche Weg bis zur Trennung, der sich meist über Jahre zieht, ist für das Kind das viel größere Leid. Und ich will nicht darüber nachdenken, wie viele Kinder in diesem Leid leben müssen, weil es kein „Scheidungskind“ werden soll.
Wenn Eltern zusammen bleiben, die sich nicht mehr lieben, so ist das wahrlich schlimmer als eine Scheidung. Die Scheidung ist sozusagen „die Erlösung“ für alle. Das Leid geschieht davor. Natürlich bringt sie erstmal neue Herausforderungen mit sich, aber danach mündet es in Ruhe und inneren Frieden für alle Beteiligten. WENN und hier ganz klar WENN, die Eltern hier reflektiert handeln und die Kinder nicht als Waffe für ihren eigenen Krieg verwenden.
Wie viele Menschen bleiben „der Familie zuliebe zusammen?“
Machen sich Gedanken, was das Umfeld über sie denken würden, wenn sie sich trennen.
Jaaa, man ist der Mittelpunkt, das Gesprächsthema im Dorf- aber wie viele „Familien“ leben denn unglücklich hinter der Fassade „glückliche Familie“. Davon abgesehen, dass es dem Kind völlig falsche Werte von Glück und Liebe vermittelt- gibt es ihm zugleich noch den Glaubenssatz mit auf den Weg, dass es von Wichtigkeit sei, was andere über einem reden und denken.
Heute bin ich froh, dass meine Eltern sich scheiden lassen haben. Ich beide danach glücklich mit neuen Partnern sehen durfte. Sie sich weiterentwickelt haben, anstelle sich gegenseitig zu zerstören. Sie uns gezeigt haben, dass man getrennte Wege gehen darf, wenn die Liebe erlischt. Man drüber stehen muss, was andere reden. Und es final nur um eine Sache geht. Ehrlich glücklich zu sein .
Manchmal wenn wir uns trennen, ist es schmerzhaft. Aber es ist noch niemand an einer Scheidung gestorben. Die Seele aber stirbt, wenn man bei jemandem bleibt, den man nicht mehr liebt und wo man nicht mehr geliebt wird. Und so sterben viele Seelen im Laufe der Jahre auch vielleicht da wo irgendwann noch die goldene Hochzeit gefeiert wird.
Scheidung ist kein Verbrechen. Es ist eine Entscheidung für das eigene Glück und ein Kind kann nur dann glücklich sein, wenn es in die Augen einer glücklichen Mama oder eines glücklichen Papas blickt.
… und irgendwann bekommst Du die Reife zu sagen: Mama, Papa ich vergebe Euch, dass ich ein Scheidungskind sein musste, denn ich weiß, dass ihr mich liebt und wie immer in eurem Leben für mein Bestes entschieden habt. Und dafür liebe ich Euch. Bis heute und für immer.
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